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Preisgestaltung für Fotografen - ein lieber Rat an Kollegen/innen

(und für Kunden vielleicht auch nicht uninteressant)

 

 

Über Geld spricht man nicht? 

 

Doch! Ich mache das ständig. Mit Kunden. Beziehungsweise mit Kunden, die eigentlich noch keine sind. Weil die Preisgestaltung im Fotografiebusiness chaotisch geworden ist.

 

Mir ist es ein Rätsel, wie die Preise auf dem Markt so unterschiedlich sein können. (Naja, eigentlich nicht ganz, aber das Thema Schwarzarbeit möchte ich hier heute nicht angehen.) 

 

Traurige Tatsache ist, dass ca. 80% aller neu selbstständigen Fotografen/innen in den ersten 5 Jahren scheitern. Böse meist sogar. Vermutlich weil sie Rechnungen schreiben, aber noch gar keine Idee haben, ob ihr Honorar für ihr Überleben überhaupt ausreicht. Sie würfeln quasi oder übernehmen einfach Preise von Kollegen, ohne zu verstehen wie die Preise sich zusammen setzen. Auf welchen Bedingungen sie basieren.

 

Dein Preis als Fotograf/in entscheidet maßgeblich, ob du als Fotograf/in von Deiner Arbeit leben kannst oder nicht. Und auch wenn Du das nebenberuflich machst, möchtest Du am Ende ja nicht noch aus Deiner eigenen Kasse drauf zahlen, oder?

 

Keiner von uns profitiert in irgendeiner Weise von der Verwirrung über die enormen Preisunterschiede, die im vergangenen Jahrzehnt bei unseren Kunden entstanden ist.

 

Neue Fotografen/innen tun sich unheimlich schwer ihren Preis festzulegen, orientieren sich dann am “Durchschnitt” der Kollegen und glauben, auf diese Weise gut klar zu kommen. (Ich war auch so eine Idiotin) Das ist der sicherste Weg in den Untergang, denn der durchschnittlich angebotene Preis ist keiner mehr, der Dir dein Überleben sichern kann.

 

Generell vergisst man zu Beginn eine Menge. Eine große Menge. Und schenkt dem Kunden schon fast die Arbeit.

 

Preisgestaltung mag eine trockene Angelegenheit sein, die man aber zu Beginn dringend machen muss und die man auch laufend korrigieren muss. Ich passe meine Preise jährlich an, weil sich auch die Umstände verändern.

 

Dann kalkulieren wir mal…

 

Kalkulation für Fotografen/innen ist eigentlich easy:

 

Du schreibst alles auf, was Du aufwenden mußt, um Deinen Job überhaupt machen zu können. Wirklich alles.

 

Kamera, Objektive, Blitze, sämtliches weiteres Equipment, Computer, Bildschirm, Tablet, in meinem Fall ein Berg hochwertiger Kostüme und Kram … was auch immer Du anschaffen mußt, um Deine Arbeit machen zu können.

 

Dazu gehören auch sämtliche Versicherungen, Dein Auto (nur anteilig, weil Du es ja auch privat nutzt), Marketingausgaben, Website, Weiterbildung usw.

 

Lass nichts aus, denn egal was es ist, Du darfst das nicht aus deiner eigenen, privaten Tasche zahlen! Alles was nötig ist, damit Du Deine Arbeit machen kannst, muss in Zukunft Deine Kundschaft bezahlen.

 

Andernfalls hast du kein Business, sondern ein Hobby das Du finanzierst, um anderen Freude zu machen. (das ist zwar total nett, bringt Dich aber nicht weiter)

 

Das Ganze rechnest Du Dir erst mal für ein Jahr aus.

 

Fangen wir mit den Kosten der Kamera an. Wenn Du zB Deine Kamera für maximal 5 Jahre nutzen kannst, rechnest Du den Preis der Kamera erst mal durch 5. Ich komme hierbei auf jährliche Kosten von 861,80€. Nur für die Kamera, da ist noch kein einziges Objektiv dabei!

 

Dabei solltest Du auch notwendige Neuanschaffungen, Reparaturen, Servicekosten nicht vergessen. Da kann immer mal was anstehen. 

 

Dann rechnest Du Dir mal grob aus, wie viele Arbeitstage Du im Jahr hast. Als Selbstständiger kannst Du übrigens auch mal arbeitsunfähig krank werden und zwischendurch Urlaub brauchst Du auch, um eben nicht krank zu werden. XD

 

In 2022 hatte ich zB abzüglich aller Feiertage und Wochenenden 247 Arbeitstage. Ziehst Du für Dich noch 25 Urlaubstage ab, bist Du bei 222 Tagen, an denen du arbeiten kannst. Wenn du nie krank wirst.

 

Jetzt wird es spannend. Wie viel willst / musst Du verdienen um halbwegs anständig davon leben zu können? Leben, nicht am Existenzminimum rumkaspern. 

 

Rechnen wir das mal mit 2.000 € netto. (12 Monate im Jahr.) Das ist nicht viel, aber das entspricht in etwa dem Durchschnittsverdienst. Du brauchst 30.000 € Einkommen im Jahr, damit Du nach Abzug der Steuern, die Du dafür bezahlen wirst, diese 2.000 € x 12 raus hast.

 

Was da aber noch nicht drin ist, ist die Sozialversicherung. 

Damit du auf Deine 30.000€ Einkommen kommst, brauchst du grob gerechnet 42.000€ Einnahmen.

 

Leider wars das noch immer nicht. XD

 

Nehmen wir mal für unser Rechenbeispiel an, Du kommst auf 20.000€ Ausgaben pro Jahr. (und die hast Du schneller zusammen, als du denkst)

 

Die legen wir jetzt also auf die 42.000€ drauf und sind bei 62.000€ Umsatz, den du pro Jahr brauchst. Und weil Du als Unternehmer auch Umsatzsteuer abführst, kommen dazu noch 20% Umsatzsteuer, die du nicht aus der eigenen Tasche bezahlen wirst. Das sind 12.400€ Euro nochmal oben drauf.

 

Jetzt sind wir also bei 74.400,- Euro Bruttoumsatz die Du im Jahr mindestens brauchst um 1.700€ monatlich netto zu verdienen. Jahaa, so finanzieren wir „teuren“ Fotografen unsere Ferraris. XD

 

So, das ist jetzt ein Jahresumsatz, den Du erreichen solltest.

 

Was bedeutet das jetzt den Preis, den Du als Fotograf/in verlangen solltest?

 

Wir hatten gesagt Du arbeitest 222 Tage im Jahr. Wenn Du nie krank wirst. Also sagen wir lieber es sind 210 Tage im Jahr. Denn Du wirst möglicherweise auch nicht täglich Kundschaft haben.

 

Trotzdem gehen wir jetzt mal von den regulären 8 Stunden aus, die Deine Kunden meist auch in ihrem Job arbeiten.

 

Das sind 1776 Stunden die Du arbeiten kannst, um Deinen Mindestumsatz von 74.400€ Brutto zu erreichen.

 

Das wären dann ca. 42€ pro Stunde.

 

Aber stooooooooop!

 

Hier passiert der größte Fehler, an dem so viele scheitern. Diese 42€ sind NICHT der Stundensatz, den Du Deinem Kunden verrechnen musst.

 

Diese 42€ musst Du für jede einzelne Stunde die Du an oder in Deinem Unternehmen arbeitest verdienen!

 

Auch in den Stunden, in denen Du Dich weiterbildest, in denen Du Dein Marketing machst, Deine Buchhaltung erledigst, Kundentermine und Gespräche führst, usw 

 

Du zahlst ja auch nicht nur die Pizza im Restaurant, sondern das Lokal, die Mitarbeiter, den Strom, den Lieferanten, das Geschirr, die Versicherungen usw..

 

 

 

Mit Fotografieren selbst verbringst Du als Fotograf maximal 10% deiner Arbeitszeit!

 

Hier mußt Du Dich hinsetzen und realistisch einschätzen, wie viel Zeit Du wofür aufwenden wirst. 

 

Ich gehe in diesem Beispiel jetzt mal von mir und meinem Fine Art Portrait Shooting Paket aus.

 

Eine Stunde Vorbereitung, eine Stunde direkte Arbeit mit dem Kunden (Fotografieren), eine Stunde Aufräumen/Kostümreinigung, drei Stunden für drei Bildbearbeitungen, 0,5 Stunden Bereitstellung/Kommunikation,  etc. – bedeutet bei mir insgesamt 6,5 Stunden mit allem “drumherum” die der Kunde zahlen muss. 

 

Weil ich nett (eine Idiotin) bin, lasse ich diese 0,5 Stunden für Bereitstellung und Kommunikation jetzt mal hinten runter fallen und sage, für eine Stunde Arbeit „am Kunden“, folgen sechs Stunden Arbeit „für den Kunden“. Verhältnis 1:6.  Wir rechnen also für eine Stunde Kundenarbeit insgesamt 6 Stunden Aufwand.

 

42€ x 6 = 252€

 

Somit bin ich also bei einem Stundensatz von 252€ den ich hier verrechnen muss.

 

Das ist jetzt leider nicht repräsentativ für alle Arten der Fotografie, aber absolut korrekt berechnet.

 

Das bedeutet, für einen gesamten Tag mit 8 Stunden solltest Du mindestens 1.000€ Tagessatz veranschlagen, wenn Du in diesem Beruf überleben willst!

 

Das kommt Dir zu teuer vor?

 

Wenn Dir das teuer vorkommt, dann nicht, weil das teuer ist, sondern, weil Du bisher von viel zu niedrigen Preisen ausgegangen bist!

 

Wie die meisten, die sich blauäugig in den Beruf Fotograf/in wagen, ohne sich detaillierte Gedanken darüber zu machen.

Du denkst jetzt “aber wenn ich gerade anfange kann ich ja nicht gleich …” Oh doch!!! Denn was Du wirklich nicht kannst, ist lange unter einem Preis arbeiten, der für Dich und Deine finanzielle Sicherheit machbar ist.

Über einen kurzen Zeitraum kann man das machen. Aber nicht lange. Denn spätestens wenn Du das ein Jahr gemacht hast, rächt es sich.

Irgendwann geht zB Ausrüstung kaputt und Du kannst Dir keine neue leisten. Oder Du wirst mal krank und kannst ein paar Tage oder Wochen nicht arbeiten usw.

 

Was Du wirklich nicht kannst, ist zu günstig arbeiten.

 

Lass Dich nicht hinreissen, für 40€ pro Stunde als Fotograf zu arbeiten, nur um dann festzustellen, das hat sich nicht nur nie gelohnt, das hat Dich ruiniert.

Sicher hast Du auch schon mal einen Handwerker im Haus gehabt und gesehen, was da alles am Ende auf der Rechnung steht. Nicht nur die zwei Stunden a 60€, die er bei Dir vor Ort gewesen ist.

 

Aber wenn ich günstiger...

 

Jaja, die Argumente für „günstiger“ kenne ich alle. Die hab ich selbst benutzt.

 

Aber sie sind alle falsch.

 

Du denkst, Du bekommst Kunden, wenn Du günstiger bist?

Ich garantiere Dir, Du bekommst keine Kunden, sondern die Menschen, die ausschließlich billig wollen. 

Und die bekommst du dann immer wieder. Das heißt, Du wirst für immer für ein Honorar arbeiten, das gerade mal Deine Aufwände deckt, von dem Du aber nicht leben kannst. Nicht ansatzweise.

Die Wertschätzung für Dich wird sinken und es wird – das garantiere ich Dir aus Erfahrung – kein Kunde beim zweiten Job das doppelte zahlen. Diese Kunden suchen sich dann den nächsten Billig-Fotografen.

 

Ich wünsche mir eine Branche, die wieder gesund wird. In der Menschen von dem, was sie gern und gut machen, auch ordentlich leben können.

 

Fotografie hat sich gewaltig verändert. Was vor 10 Jahren nur bei einem Profi möglich war, kann jetzt “Tante Hilde” von gegenüber auch schon. Dank KI wird alles noch einfacher. Und oft kann der Kunde auch nicht unterscheiden zwischen einem wirklich gut gemachten Bild und einem … naja… ich sags mal nett… nicht so gut gemachten Bild. 

 

Professionelle/r Fotograf/in sein bedeutet viel mehr, als ein paar ganz schöne Bilder hinzukriegen.

 

Du musst unternehmerisch denken können, rechnen können.  Du mußt mehr bieten können, als schöne Bilder. Dann hast Du auch keinerlei Probleme, Deine Preise richtig zu kalkulieren und zu verlangen, was Deine Arbeit wert ist.

 

Ich bin mir sicher, dass alle profitieren, wenn die Branche gesundet und wieder ein vernünftiges Bewusstsein für Preisgestaltung und Honorare bei Fotografen entsteht.

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